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Ilham Alijew

© dpa

Aserbaidschan: Die Kaviar-Diplomatie

Wie sich der Regierungsclan in Baku die Macht erhält - ohne sich um die Ermahnungen aus Europa zu scheren.

Berlin - In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ist es am Samstag zu Protesten mit der Forderung nach Auflösung des Parlaments und Neuwahlen gekommen. Zuvor war eine Demonstration der Opposition im Zentrum nicht genehmigt worden. Nach mehr als 100 Festnahmen, teilweise schon im Vorfeld, forderte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, das Regime auf, friedliche Demonstrationen „jederzeit und überall“ zuzulassen.

Auslöser war ein heimlich aufgenommenes Video: Zwei Frauen und ein Mann streiten um die Frage, wie hoch das Schmiergeld für einen Sitz im aserbaidschanischen Parlament sein soll: 500 000 oder eine Million Dollar? Die Abgeordnete Gular Achmedova verlangt das Geld, zahlen soll der Mann: Elschad Abdullajew, Rektor der inzwischen geschlossenen, privaten Internationalen Universität in Baku ist auch kein Unschuldslamm. Den Handel mit akademischen Titeln trieb er so weit, dass sich Studenten beschwerten. Dabei sind die Menschen in Aserbaidschan, oft als Kleptokratie beschimpft und beim Korruptionsindex auf den unteren Rängen, einiges gewohnt.

Abdullajew, inzwischen nach Frankreich geflohen, hat das Video ins Netz gestellt. Darin fällt der Name von Ramis Mehdijew, dem Leiter der präsidialen Verwaltung und „graue Eminenz“ des Regimes. Präsident Ilham Alijew herrscht, Mehdijew regiert, sagt man. Wie einem zweiten Video zu entnehmen ist, sollte Abdullajev Mehdijew wohl als neuen Patron anerkennen, nachdem er zuvor seine Geschäfte mit Agil Alijew abgewickelt hatte, dem Bruder des verstorbenen Präsidenten Heydar Alijew. Auf dessen Sohn und Nachfolger Ilham Alijew weisen auch die Worte Achmedovas im Video hin, dass es zwar viele Interessenten für einen Parlamentssitz gebe, aber „nur einen Wähler“.

Während des European Song Contest blickte Europa auf Aserbaidschan und rückte dabei die Menschenrechte in den Fokus. Was hat sich seitdem getan?

Noch im Mai wurde eine brisante Expertise des Instituts European Stability Initiative veröffentlicht. Darin geht es um Aserbaidschans Kaviar-Diplomatie gegenüber Vertretern des Europarats. Demnach erhielten Aserbaidschans „Freunde“ vor jeder Sitzung etwa ein Pfund Kaviar (Kilopreis bis 1400 EUR). Später, bei Einladungen nach Baku, waren die Gaben noch viel generöser: wertvolle Seidenteppiche, Gold, Silber, sogar Geld. Dazu mehrere Zitate Alijews wie „Wir haben exzellente Beziehungen zu Europa und ich schere mich nicht um den Europarat.“ Und: dass „wir wohl nie eine Demokratie wie in Westeuropa aufbauen können“.

Im Juni verlangte der Europarat von Baku eine rechtsstaatliche Überprüfung der Verurteilung von fast 90 Personen, darunter etwa 50 politische Gefangene. Im August wurde ein Report der britischen Organisation Tax Justice Network vorgelegt. Demnach wurden zwischen 1994 und 2010 rund 48 Milliarden Dollar ins Ausland geschafft. „Ohne die Kontrolle der obersten Behörden wäre das unmöglich“, sagte der Vorsitzende des Center for Economic Research, Gubad Ibadoglu. Ein Großteil der Schlüsselindustrien befindet sich im Besitz der Präsidentenfamilie und von Ministern, die zugleich Oligarchen sind – oder umgekehrt.

Achmedova hat ihr Mandat niedergelegt. Sie warnt, wenn die Anwürfe gewisser Parteimitglieder gegen sie nicht aufhören würden, dann werde sie auspacken. In der vergangenen Parlamentssitzung, in Aserbaidschan eine oppositionsfreie Zone, durfte ihr Fall nicht auf die Tagesordnung. Die mit der Ermittlung betraute Staatsanwaltschaft ist wie gelähmt. In dem autoritär regierten Land wartet alles auf ein Wort von Präsident Alijew.

Vor zwei Wochen fand das zweite Bakuer Internationale Humanitäre Forum statt. Honorige Persönlichkeiten wie Expräsidenten und Nobelpreisträger diskutierten unter anderem Fragen des Völkerrechts, des Schutzes der Menschenrechte in festlichem Rahmen. Alle Kosten wie Flug, Fünf-Sterne-Hotel und Ausflüge trug der Gastgeber. Mitbegründer des Forums sind zwei ausgewiesene Kenner der Materie: die Staatspräsidenten Ilham Alijew und Wladimir Putin. Dieses „humanitäre Davos der Welt“, wie es ein Festredner nannte, wurde derweil von seinem Vorsitzenden verlassen: Ramis Mehdijew (74) muss sich nach all der Aufregung medizinisch behandeln lassen und ist in ein Land der EU gereist – mutmaßlich nach Deutschland.

Sarah Baumgart

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