Fragility – autumn in a garden in Moscow (one year later)

A few thoughts, written one year ago in autumn in the sunny garden of the Museum of Modern Art in Moscow, where I was then a visiting fellow.

The dark clouds of that moment – the sense of fragility of our institutions and norms and moral emotions – are very much more obvious today. Then was the moment of Willkommenskultur in Germany and Austria, a generous, emotional, fragile sense of possibility, that was real – perhaps my forebodings came from observing it from Russia, with sympathy and concern.

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27 September 2015 (Facebook)

(Sonntag, im Garten des Museums für Moderne Kunst in Moskau)

Wir sollte uns keinen Illusionen hingeben.

Das Recht auf Asyl – all die Konventionen, auf die wir uns heute noch berufen können, in Kommentaren oder vor Gerichten – verschwindet in dem Moment, in dem Mehrheiten das wollen. Oder in dem die Minderheiten, die das wollen strategischer vorgehen als die Verteidiger der Menschenrechte.

Das hat Orban gerade wieder gezeigt, unbestraft; seine “Asylverfahren” an der Grenze sind eine Farce, doch seine Zustimmung steigt.

Das zeigen uns seit Jahren andere Mitglieder des Europarates. Azerbaijan war Vorsitzender des Europarates, verhaftete alle Menschenrechtsaktivisten … wo war die Reaktion? (jenseits der Menschenrechtsorganisationen, die das Regime einfach ignoriert). Wo war der Europäische Menschenrechtsgerichtshof? Abgemeldet, vom Regime ignoriert, vollkommen ungestraft. Heute, wo wir ihn brauchen, ist der Europarat eine unglaubwürdige Institution. Wir haben diese Entwicklung ignoriert, weil viele dachten, das betrifft nur Autokraten im fernen Osten Europas. Das war ein großer Fehler. Einer von vielen der die Menschenrechte in Europa in Gefahr bringt.

Jede, auch die grundlegendste, Menschenrechtsnorm, ist ständig in Gefahr sich im Nichts aufzulösen, wenn der Rückhalt schwindet. (Die Folter wurde in Russland Anfang der 19 Jahrhunderts von einem russischen Zaren abgeschafft; wir wissen was später passierte …).

Orban weiß das: er hat das Ende des Kommunismus, mit allen seinen Normen, erlebt. Er weiß, dass alles Menschliche vergänglich ist. Nun erwartet er, dass dies auch für das europäische Bekenntnis zu Asyl gilt, wenn er nur die Angst vor Muslimen instrumentalisieren kann.

Wenn die Briten über einen Austritt aus dem Menschenrechtsgerichtshof laut nachdenken, ja, eine Regierungspartei damit Wahlkampf macht, und gewinnt, warum dann nicht Ungarn? Warum nicht Österreich, unter einem Bundeskanzler Strache? Was bleibt dann? Wenn mehr Regierungen wie Orban denken, wer verteidigt dann “europäische” Standards? Diese werden dann einfach umdefiniert. Darauf setzt er. Daran arbeitet er.

Diese Krise sieht er als eine große Gelegenheit. Und die, die nicht seiner Meinung sind – wie mächtig auch ihre Positionen, ob nun Bundeskanzlerin in Berlin oder Präsident der Kommission in Brüssel – setzen ihm derzeit nichts entgegen: keine Strategie, nur Hilflosigkeit. Oder Ärger. Das aber stört ihn nicht; im Gegenteil.

Die Situation ist brandgefährlich. Das “Ende der Scham”, der Moment in dem Menschenrechte grundsätzlich in Frage gestellt werden, sinnentleert werden, umdefiniert werden, betrifft längst nicht nur Azerbaijan oder Russland.

Das Fundament auf dem unsere Grundrechte stehen kann zerbrechen. Das ist schon oft geschehen in der europäischen Geschichte. Darum geht es in diesem Ringen heute.

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Journal of Democracy, Gerald Knaus, “Europe and Azerbaijan: The End of Shame” (July 2015)

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