Der unbekannte Türke und eine künftige Volksabstimmung - Anatomie einer österreichischen Debatte

30 January 2008
Turkish mosque in Telfs, Tyrol. Photo: Gerhard Berger
Turkish mosque in Telfs, Tyrol. Photo: Gerhard Berger

Türkische Moschee in Telfs, Tirol. Foto: Gerhard Berger

Turkish Daily News "ESI report: Austrian opposition to Turkey stems from ignorance" (4. Februar 2008)

Zaman Avusturya, Selçuk Şeker "2015 Avusturya'sının yüzde 95'i 'Türkiye'ye hayır' diyecek" (3. Februar 2008)

Die Presse, Karl Gaulhofer "Totale Ablehnung für Türkei-Beitritt" (30. Januar 2008)

Prolog: 2015 - Das österreichische Referendum über den türkischen EU-Beitritt

Es ist eines der meist diskutierten politischen Ereignisse der letzten Jahre. Tausende Journalisten aus aller Welt strömen nach Wien, um darüber zu berichten und spiegeln so das gewaltige Interesse eines globalen Publikums. Die von CNN, BBC und Al-Jazeera gesandten Reporter durchkämmen Städte und Dörfer in ganz Österreich. In Interviews mit Taxifahrern in Linz und Bergbauern in Tirol stellen sie immer wieder die eine Frage: "Wovor fürchten Sie sich?". Fernsehteams übertragen live vom Wiener Kahlenberg und teilen ihren Zuschauern mit, daß die Türken hier schon einmal aufgehalten wurden, im Jahre 1683.

Die Vorbereitung auf das österreichische Referendum zum türkischen EU-Beitritt beschäftigt die internationale Presse seit Wochen. Der Londoner Guardian schreibt "1683 war die Türkei der Angreifer. 2015 sieht Österreich das noch immer so." Ein Berichterstatter der Financial Times bemerkt "Für viele Österreicher ist es so, als wären die Tore Wiens selbst jetzt von den Kanonen der Janitscharen bedroht". Die österreichischen Medien ("Wagenburgmentalität", "Die Rückkehr der Türken", "Bollwerk Österreich") und die türkische Presse ("Die Mauern Wiens" "Wird Wien fallen?") strotzen nur so vor militärischen Metaphern.

Allerorts fragen ausländische Journalisten: Warum gerade Österreich? Die Frage liegt auf der Hand. Denn schließlich ist dies nicht die Schweiz und in Österreich gehören Referenden nicht zum politischen Alltag. Bisher gab es erst zwei Volksabstimmungen in Österreich: über die Nutzung der Kernenergie und über den eigenen EU-Beitritt. Zudem wurden Österreicher in den vergangenen Jahrzehnten nie dazu aufgefordert, über den EU-Beitritt irgendeines anderen Landes abzustimmen. Die Türkei ist daher ein Sonderfall. Dies trifft ebenso auf Österreich zu, nachdem Frankreich 2010 eine Verfassungsänderung beschloss, die es dem Parlament ermöglicht, Beitrittsverträge zu ratifizieren. Während der langjährigen Beitrittsverhandlungen konnte sich Österreich, ebenso wie einige andere Länder, Ausnahmeregelungen zum Schutz des heimischen Arbeitsmarktes sichern. Doch diese spielen in der Referendumsdebatte 2015 kaum eine Rolle.

Stattdessen stimmt in der Wahrnehmung der globalen Medien ein kleines, reiches, mehrheitlich katholisches Land über die Zukunft eines großen, weniger wohlhabenden, mehrheitlich muslimischen Landes ab. An jeder Straßenecke reden Plakate einem Kulturkampf das Wort: Hinweise auf die Scharia, muslimische Horden und Terrorismus werden begleitet von Kopftuch- und Minarettdarstellungen. Die rechtsstehende Freiheitliche Partei und ihr blauäugiger Vorsitzender sind von Dschidda bis Jakarta in aller Munde. Ihre Parteigänger sähen Zwietracht, indem sie den Propheten als Kinderschänder verleumden. Und die FPÖ ist nicht allein. Auch andere schüren Vorurteile. Der ÖVP-Bürgermeister von Graz verkündet: "Über Jahrhunderte hat Graz die Türken bekämpft. Heute setzen wir diesen Kampf mit anderen Mitteln fort."

Das Ergebnis des Referendums steht außer Frage. Seit mehr als einem Jahrzehnt registrieren Eurobarometer-Umfragen weniger als 10 Prozent Zustimmung zu einem türkischen EU-Beitritt. Die Grünen sind die einzige im Parlament vertretene Partei, die einen türkischen EU Beitritt befürwortet. Gerade die Zwangsläufigkeit des Resultats fasziniert (und schockiert) die Beobachter gleichermaßen. An Stelle von Wien 1683 tritt Wien 2015 als globale Metapher für die immerwährende Konfrontation zwischen Christentum und Islam.

Einleitung

Deutet das jetzige politische Klima in Österreich auf eine Volksabstimmung über den türkischen EU-Beitritt hin? Die Vorsitzenden von SPÖ und ÖVP haben mehrmals ein Referendum versprochen. Der Großteil der Presse schließt sich der Forderung der rechtsstehenden Opposition nach einer Volksabstimmung an. In Anbetracht der Entwicklung der öffentlichen Meinung und der letzten Wahlkampagnen der FPÖ ist das oben beschriebene Szenario durchaus plausibel, ja sogar wahrscheinlich.

Dieser Bericht zeichnet die Entwicklung der österreichischen Stimmungslage zu einem möglichen EU-Beitritt der Türkei nach. Führt man sich die Meinungsumfragen des letzten zehn Jahre vor Augen, fällt auf, dass sich die Haltung der Österreicher zur Türkei bis 2002 nicht wesentlich von der gegenüber anderen Beitrittskandidaten unterschied. Es handelt sich hierbei nicht um eine tiefverwurzelte Abneigung. Die jetzige Stimmungslage ist Folge des Handelns der politischen Elite Österreichs, die die Debatte in eine bestimmte Richtung lenkte.

Der Wendepunkt kam 2004, als die damals oppositionelle SPÖ die FPÖ und ÖVP bezichtigte, in der Türkeifrage Schwäche gezeigt zu haben, da diese die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen duldeten. Im Anschluss daran erklärte Bundeskanzler Schüssel im Dezember 2004, dass es ein Referendum geben würde.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten alle Hauptakteure eine nüchterne Bestandsaufnahme des Für und Wider jeder EU-Erweiterung unterstützt. Aufgrund der Ereignisse des Jahres 2004 zerbrach dieser Konsens und es entwickelte sich eine neue parteiübergreifenden Einmütigkeit, jegliche seriöse Debatte zugunsten einer Volksabstimmung aufzuschieben.

Seither haben österreichische Politiker es eher vermieden, zur Türkeifrage Position zu beziehen. In den Jahren 2006 und 2007 gab es keine Besuche österreichischer Minister in Ankara oder Istanbul. Verglichen mit den Niederlanden, Schweden oder Deutschland betreiben österreichische Institute wenig Forschung zur heutigen Türkei. Ebenso gering ist der kulturelle und akademische Austausch, trotz der Bemühungen eines energischen, neuen Botschafters in Wien. Dies steht in auffälligem Gegensatz zu den Beziehungen mit früheren Beitrittskandidaten, beispielsweise Ungarn, Polen, Rumänien oder Bulgarien.

Je kraftloser die öffentliche Debatte über einen türkischen EU-Beitritt geführt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass es zwischen 2014 und 2020 ein Referendum geben wird, und desto gewisser die Ablehnung eines türkischen Beitritts.

Einige werden diesen Umständen nicht weiter Bedeutung beimessen. Doch auch Österreicher, die einen EU-Beitritt der Türkei ablehnen, sollten einem Referendum mit Unbehagen entgegen sehen. Sollte die türkische Bewerbung zu einer Volksabstimmung führen, warum nicht auch die Bewerbungen anderer Erweiterungskandidaten? Sollten Österreicher über einen möglichen Beitritt Albaniens oder Bosnien-Herzegowinas abstimmen? Ein Referendum würde rechtspopulistischen Parteien in Österreich und Europa eine globale Bühne bieten. Infolge eines solchen Schrittes wäre Österreich in Europa isoliert und allein verantwortlich für einen Affront gegen die islamische Welt.

Österreich würde sich an vorderster Front im Kampf der Kulturen wiederfinden. Doch ist solch ein Kampf wirklich unausweichlich? Und möchten die Österreicher wirklich in dessen Zentrum stehen? Dieser Bericht soll diese Debatte anstoßen.

Das österreichische Paradox

Das Verhalten Österreichs verblüfft Beobachter des Erweiterungsprozesses. Es ist eines der reichsten Länder weltweit (gemessen am Pro-Kopf Einkommen, in der EU an vierter Stelle). Seit dem EU-Beitritt 1995 floriert die österreichische Wirtschaft. Die Arbeitslosenrate liegt bei 4,2 Prozent und ist somit eine der niedrigsten in Europa. Vor kurzem schrieb der Economist:

"Österreicher klagen gerne, doch was ihre Wirtschaft betrifft geben auch sie zu, dass sie auf einem hohen Niveau jammern."

(Economist, 24. November 2007)

Österreich genießt als Folge der EU-Erweiterung erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Die neuen Mitgliedsstaaten in Mitteleuropa wurden von österreichischen Unternehmen mit offenen Armen empfangen. Österreich ist der größte Investor in Rumänien und Bulgarien und spielt eine wesentliche Rolle im gesamten Westlichen Balkan.

Die Abneigung der österreichischen Bevölkerung gegen die Erweiterung scheint daher in einem drastischen Widerspruch zu ihren eigenen Interessen zu stehen. Doch viele Umfragen zeigen immer wieder, dass Österreicher den Beitritt jedes Landes außer Kroatien mehrheitlich ablehnen – deutlicher sogar als jedes andere EU-Mitgliedsland. 62 Prozent sind gegen einen Beitritt Mazedoniens, 73 Prozent gegen einen Beitritt Albaniens, 59 Prozent gegen einen Beitritt Bosnien-Herzegowinas und 65 Prozent gegen einen Beitritt Serbiens (2006 noch Serbien-Montenegro). Jeder dieser Werte ist europäischer Rekord!

Für einen Beitritt Mazedoniens (Eurobarometer, 2006)

Österreich

32 %

Luxemburg

36 %

Deutschland

40 %

Frankreich

53 % 

Zypern

58 %

Niederlande

64 % 

Dänemark

66 %

Schweden

71 %

Slowenien

74 %

Daher ist es wenig überraschend, dass ein türkischer Beitritt von der österreichischen Bevölkerung deutlicher abgelehnt wird als in jedem anderen EU-Mitgliedsstaat. In der letzten Eurobarometerumfrage Ende 2006 (über den Beitritt einzelner Staaten) befürworteten nur 5 Prozent einen Beitritt. Im europäischen Vergleich wird klar, wie bemerkenswert dieser Befund ist: 24 Prozent der Griechen bejahte 2006 einen türkischen Beitritt. Eine fünfmal höhere Zustimmung als in Österreich.

Für einen Beitritt der Türkei (Eurobarometer, 2006)

Österreich

5 %

Deutschland

16 %

Luxemburg

17 %

Zypern

19 %

Frankreich

22 %

Polen

40 %

Portugal

40 % 

Slowenien

43 %

Schweden

46 %

Österreichs politische Elite reagierte auf diese Umfragen, indem sie zum schärfsten Gegner eines EU-Beitritts wurde und überraschte dadurch viele, einschließlich der türkischen Regierung.

Im Dezember 2004 versprach Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erstmals, vor einem türkischen Beitritt ein Referendum abzuhalten. Bei einem Treffen der EU-Außenminister im November 2005 verzögerte Außenministerin Ursula Plassnik die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen um einen Tag. Sie beharrte darauf, dass es bei den Verhandlungen nicht um Vollmitgliedschaft gehen sollte und wurde dafür von der österreichischen Boulevardpresse gefeiert. Die Ablehnung eines türkischen EU-Beitritts wurde auch in den letzten Wahlkämpfen zu einem Diskussionsthema. Der jetzige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer plädiert nach wie vor für eine Volksabstimmung zum EU-Beitritt der Türkei.

Wie ist die österreichische Ablehnung eines türkischen EU-Beitritts einem Außenstehenden verständlich zu machen? 2004 war Österreich ein Vorkämpfer der EU-Erweiterung um die zentraleuropäischen Staaten. Der Beitritt Bulgariens und Rumäniens wurde im österreichischen Parlament fast einstimmig ratifiziert. Auch heute betonen österreichische Politiker, dass sie einen Beitritt aller Balkanstaaten unterstützen. Der Beitritt Bulgariens wurde nie zu einem politischen Zankapfel, obwohl die öffentliche Zustimmung 2002 genauso gering war wie die für einen Beitritt der Türkei. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass aktuelle Meinungsumfragen die österreichische Außenpolitik zu den Ländern des Westlichen Balkans beeinflussen wird.

Es sind vor allem die Entscheidungen österreichischer Politiker die die politische Tagesordnung bestimmen. Seit dem eigenem Beitritt 1995 und während der beiden Erweiterungsrunden von 2004 und 2007 hielt die österreichische "pro-Europa Koalition", die nun an der Türkeifrage zerbrochen ist.

Der Blick zurück: die Debatte über die Erweiterungsrunde von 2004

Als 1997 Beitrittsverhandlungen mit den mittel- und osteuropäischen Ländern aufgenommen wurden, war kein EU-Mitgliedsland derart unmittelbar betroffen wie Österreich, mit vier Beitrittskandidaten als Nachbarländern und einer gemeinsamen Grenze von 1.259 Kilometern. Daher war es wenig überraschend, dass die Auswirkungen auf Österreich in der öffentlichen Diskussion problematisiert wurden. Tatsächlich belegen Meinungsumfragen von 1996 bis 2000 eine wachsende Angst. Schon bald stand Österreich zusammen mit Deutschland und Frankreich hinsichtlich der Unterstützung für die Erweiterung an letzter oder vorletzter Stelle der EU-15.

Laut einer Studie waren 47 Prozent der österreichischen Unternehmer gegen die Erweiterung. Laut einer anderen fürchteten 62 Prozent der Österreicher, die Erweiterung werde ihre persönliche Sicherheit gefährden. Im November 1999 befürworteten nur 31 Prozent den Beitritt Polens oder der Slowakei.

Diese Entwicklung wurde von Jörg Haiders FPÖ gefördert und ausgenutzt. Die Partei hatte sich durch Angriffe auf die EU politisch etabliert und wandte sich nun gegen die Erweiterung. Zwischen 1996 und 1999 brachte die FPÖ 20 Anträge gegen die Erweiterung im Parlament ein. Dieser politische Schachzug schien geglückt zu sein. Die Partei erhöhte ihren Stimmanteil von 5 Prozent in den späten achtziger Jahren auf 27 Prozent im Jahr 1999. Im selben Jahr erreichte österreichische Zustimmung für die Erweiterung einen absoluten Tiefstand.

Die Freiheitliche Partei sprach sich auch für eine Volksabstimmung zur Erweiterung aus. Jörg Haider warf der Regierung vor

"[…] im Sinne des Landesverrates gegen Österreichs Interessen zu verstoßen, wenn sie nicht in Brüssel ein Veto gegen die Osterweiterung einlegt: 'So handelt keine Bundesregierung sondern nur eine Besatzungsmacht.' Diese Projekt sollte sofort gestoppt werden."

 (Lugmayr, S. 147)

Paradoxerweise führte der Erfolg der FPÖ in den Wahlen 1999 zu einer Kursänderung. Als die FPÖ als Koalitionspartner der ÖVP in die Regierung eintrat, bestand letztere auf Unterstützung für die EU und deren Erweiterung als Bedingung für eine gemeinsame Regierung. Ab dem Jahr 2000 vertrat die FPÖ eine gänzlich veränderte Position.

"Die FPÖ werde den Beitrittsprozess unserer Nachbarn unterstützen', 'Wir sind bereit, diesen Integrationsprozess zu unterstützen', […] 'Die Türkei als offiziellen Beitrittskandidaten anzuerkennen, sei 'gescheit'. "

 (Lugmayr, S. 147)

Ab diesem Zeitpunkt sprach sich bis zu den Wahlen 2006 keine österreichische Partei gegen die Osterweiterung der EU aus.

Österreich und der Beitritt Bulgariens

Dieser parteiübergreifende Konsens bestand auch während des Beitritts Bulgariens und Rumäniens. Im Dezember 1994, noch vor dem österreichischen EU-Beitritt, befürworteten nur 20 Prozent der Österreicher eine EU-Mitgliedschaft Bulgariens. 2005 hatte sich dieser Anteil nicht verändert. In diesem Zeitraum nahm die öffentliche Ablehnung eines bulgarischen Beitritts von 57 Prozent 1994 auf 69 Prozent 2005 zu.

Trotz der öffentlichen Meinung vertraten Politiker beider Volksparteien die Ansicht, ein Beitritt Bulgariens wäre langfristig im Interesse Österreichs. Finanzminister Wilhem Molterer sagte am 12. April 2006:

"Diese Erweiterung gebe nicht nur Europa, sondern auch unserem Land eine wichtige Perspektive. Aus der Erweiterung würden sich Wachstums- und Sicherheitsgewinne und damit Arbeitsplätze für Österreich ergeben."

Während seines Besuches in Bulgarien im Frühling 2006 antwortete Bundespräsident Heinz Fischer auf die Frage eines Journalisten:

 "Wie die Dinge liegen, ist der Beitritt zum 1. Januar 2007 richtig […] Wenn ich bedenke, dass Bulgarien vor wenigen Jahren noch 146 Probleme zu lösen hatte und es jetzt noch sechs sind, dann glaube ich, dass auch der letzte Sprung bis zum Jahresende noch möglich."

Auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hob im Juli 2006 hervor, wie sehr die österreichische EU-Präsidentschaft den Erweiterungsprozess im Balkan vorangetrieben hatte:

"Hinsichtlich der EU-Erweiterung sei zudem das Beitrittsdatum Rumäniens und Bulgariens bekräftigt worden, mit Kroatien das erste Kapitel abgeschlossen worden. Mazedonien habe Kandidatenstatus, mit Serbien und Montenegro seien erfolgreiche Verhandlungsrunden abgewickelt, mit Albanien ein Stabilisierungsabkommen unterzeichnet worden. Es sei dies 'in Summe eine reiche Ernte, die hier dem Außenministerium gelungen ist', so Schüssel."

Während all dieser Zeit nutzte keine der beiden Oppositionsparteien – die SPÖ und die Grünen – die Gelegenheit, eine potentiell sehr unpopuläre Politik der Regierung zu kritisieren. Niemand brachte den Vorschlag ein, ein Referendum zur EU-Erweiterung um Bulgarien und Rumänien abzuhalten. Am 26. April 2006 ratifizierte das österreichische Parlament mit nur zwei Gegenstimmen die Beitrittsverträge Bulgariens und Rumäniens.

Österreich und der Westliche Balkan

Meinungsumfragen zu einem Beitritt der West-Balkan Länder bieten heute keinen Grund zur Zuversicht. Anfang 2007 unterstützten nur 28 Prozent der Österreicher eine weitere EU-Erweiterung. In der EU-27 stand die Zustimmung bei 49 Prozent. (Eurobarometer 2007).

Die parteiübergreifende Koalition der Erweiterungsbefürworter bleibt jedoch stabil. Am 7. April 2003 erklärte die damalige Außenministerin Ferrero-Waldner die österreichische Einstellung und betonte dabei die Unterstützung für einen Beitritt Kroatiens.

Als Ziel der neuen Wegskizze wurde der Beitritt Rumäniens und Bulgariens im Jahr 2007 verankert […] Kroatien […] genieße die volle Unterstützung Österreichs, "denn die Bemühungen Kroatiens, […], sich an Europa anzunähern, liegen nicht nur im Interesse Österreichs, sondern dienen der nachhaltigen Stabilität unseres gesamten Kontinents."

Am 19. Oktober 2004 bekräftigte sie erneut:

Es sei aus österreichischer Sicht auch wünschenswert, Anfang nächsten Jahres mit Kroatien Beitrittsverhandlungen zu beginnen. "Dies wäre auch für die anderen Länder Südosteuropas ein Ansporn zur Fortsetzung ihrer Reformen."

Anfang 2006 bekannte sich die österreichische EU-Präsidentschaft zur "europäischen Zukunft des Westlichen Balkans". Außenministerin Ursula Plassnik betonte:

"Vor drei Jahren wurde in Thessaloniki den Ländern dieser Region eine klare Beitrittsperspektive eröffnet. Heute setzen wir ein gemeinsames Signal, das diese Perspektive bestätigen soll, ein Signal der Ermunterung und des gemeinsamen politischen Willens. Unser Ziel ist EU-Mitgliedschaft für die Länder des Westlichen Balkans."

Die Fähigkeit der politischen Elite Österreichs, auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen, wird besonders im Fall Kroatiens deutlich. Ab dem Jahr 2000 setzte sich die österreichische Regierung vehement für einen kroatischen EU-Beitritt ein. Zunächst war dies keine öffentlich zugkräftige Politik. Erhebungen aus dem Jahr 2002 zeigen, dass die öffentliche Ablehnung gegenüber einem Beitritt Kroatiens fast so deutlich erschien wie die gegenüber der Türkei. Doch schon 2005 war ein Stimmungswandel erkennbar. Eine klare Mehrheit befürwortete einen Beitritt Kroatiens, während sich der Widerstand gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei verstärkt hatte.

Eurobarometer Umfragen 2002-2005
 

2002

2005

Kroatischer Beitritt    

-         dafür

-         dagegen

34%

51%

55%

40%

     
Türkischer Beitritt    

-         dafür

-         dagegen

32%

53%

10%

80%

Ab 2005 setzten sich österreichische Politiker aller Parteien für einen Beitritt Kroatiens ein. Im Januar 2005 erklärte Paul Rubig (Europaparlamentarier der ÖVP):

"Ich glaube, dass gerade Kroatien ja uns sehr nahe steht und dort die Standards schon einigermaßen gegeben sind."

Maria Berger, SPÖ-Obfrau im Europaparlament, meinte in der gleichen Diskussion:

"Ja, Bulgarien und Rumänien sind ja praktisch am Schluss schon der Beitrittsverhandlungen und ich sage ja zu Kroatien, dass hier begonnen wird, ja dass Bulgarien und Rumänien der Union beitreten, sobald sie alle Kriterien erfüllen. Ich denke das hat eine wesentlich höhere Priorität und muss von der Union verkraftet werden können, als der Beitritt der Türkei." Später betonte sie "Kroatien ist unbestritten ein europäisches Land."

Im Oktober 2005 konnte die österreichische Regierung durch erfolgreiches Lobbying die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien herbeiführen.

Die österreichische Türkeidebatte vor 2004

Man sollte nicht vergessen, dass bis zum Frühjahr 2004 keiner der beiden Volksparteien sich auf eine Haltung zur Türkei festgelegt hatte. Im Dezember 1999 unterstützte der aus dem Amt scheidende SPÖ Bundeskanzler Viktor Klima die Entscheidung des Europäischen Rats in Helsinki, der Türkei den Status eines Beitrittskandidaten zu gewähren. Zwei Tage später erklärte Außenminister Wolfgang Schüssel der österreichischen Presse: "der Kandidatenstatus der Türkei wird begrüßt, da engere Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei zur Stabilität und Sicherheit Europas beitragen." 2002 lobte Caspar Einem (SPÖ) den Beschluss der Ratsversammlung in Kopenhagen.

 "Wir sollten akzeptieren, dass die Türkei auf dem Weg nach Europa ist. Wir haben schon viele Chancen zur Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern versäumt, weil wir (Österreicher) zum kritischen Zeitpunkt zu ängstlichen Skeptikern anstatt Freunden wurden […] Diesmal sollten wir es besser machen. Lassen Sie uns ein besonderes und enges Verhältnis zur Türkei aufbauen. Das wird auch von Nutzen sein nachdem die Türkei der EU beigetreten ist."

Seit dem Helsinki-Gipfel im Dezember 1999, als die Türkei den Status eines Beitrittkandidaten erhielt, haben zwei verschiedene österreichische Bundeskanzler, zwei Bundespräsidenten und drei Außenminister ihre Unterstützung für die EU-Beschlüsse zur Türkei (Helsinki 1999, Kopenhagen 2002, Brüssel 2004 und Luxemburg 2005) ausgesprochen. Vor dem Kopenhagener Gipfel 2002 sprach sich Bundeskanzler Schüssel dafür aus:

die bisherige Vorgangsweise beizubehalten, wonach die Kommission regelmäßig Fortschrittsberichte vorlege und man erst nach diesen objektiven Statusberichten bewerten könne, ob die politischen Kriterien für einen EU-Beitritt auch erfüllt werden. Vehement sprach er sich dagegen aus, die Kommission aus politischen Gründen nun zu "overrulen" Die prinzipielle Frage, ob die Türkei EU-Mitglied werden soll, sei praktisch entschieden, zumal dem Land Kandidatenstatus zugesprochen worden sei, sagte der Bundeskanzler.

Am 4. Mai 2004 berichtete Die Presse, dass alle bedeutenden Parteien in der Türkeifrage interne Differenzen hatten. Einem Artikel vom 28. Juni 2004 in der Tageszeitung Hürriyet zufolge hatten österreichische Türken sogar von SPÖ-Obmann Alfred Gusenbauer unterstützende Signale empfangen:

"Gusenbauer sagt, die SPÖ habe den türkischen EU Beitritt immer unterstützt […] Während er nach wie vor der Ansicht sei, die EU sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bereit, sei dies kein Grund keine Verhandlungen aufzunehmen, die erst in zehn Jahren zu einer Mitgliedschaft führen würden."

Auch Jörg Haider sprach sich bis Juni 2005 für einen Beitritt der Türkei aus. Diese Haltung brachte ihm von Seiten seiner eigenen Partei heftige Kritik ein, die Haiders Ansicht als Einzelstimme abtat.

Meinungsumfragen zur Türkei

Die politische Auseinandersetzung hatte bis Juli 2006 ein derartiges Ausmaß angenommen, dass 80 Prozent der Österreicher angaben, "häufig" von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gehört zu haben, während dies nur 54 Prozent für Bulgarien oder Rumänien angaben.

Eine genauere Betrachtung der Meinungsumfragen offenbart eine Reihe bemerkenswerter Fakten. Zwei Befragungen verdienen nähere Aufmerksamkeit: die regelmäßigen Eurobarometer-Berichte und die von der türkischen Botschaft in Wien an 'Eurosearch' in Auftrag gegebenen Umfragen Ende 2006 und Anfang 2007.

Eurobarometer zufolge glaubten im Jahr 2005 73 Prozent der Österreicher (im Gegensatz zu 54 Prozent in der EU-25), dass kulturelle Unterschiede zwischen der Türkei und der EU ein zu großes Hindernis für einen türkischen Beitritt darstellten.

Forderungen und Bedenken hinsichtlich eines türkischen EU-Beitritts

Eine ähnliche Frage wurde 2006 von Eurosearch gestellt:

In allen Bevölkerungsgruppen, egal ob Studenten, Manager, Rentner oder Hausfrauen befragt wurden, die skeptische Einstellungen gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei sind in der österreichischen Bevölkerung weit verbreitet.

Einstellung zum türkischen EU-Beitritt nach Berufsgruppe: dafür (rot), dagegen (gelb)

Studenten - Manager – Angestellte – Rentner – Arbeiter – Hausfrauen - Arbeitslose – Selbstständige

Eine eingehende Analyse der bestehenden Studien lässt zudem erkennen, dass Argumente, die anderswo für einen Beitritt der Türkei angeführt werden, bei Österreichern nicht auf Zustimmung stoßen. Nur 20 Prozent der Österreicher glauben, dass ein EU-Beitritt der Türkei die Stabilität der Region festigen würde. Nur 24 Prozent sind davon überzeugt, dass eine Mitgliedschaft der Türkei das gegenseitige Verständnis europäischer und muslimischer Werte fördern würde. Fast zwei Drittel glauben nicht, dass sich höheres Wirtschaftswachstum in der Türkei positiv auf die europäische Wirtschaft auswirken würde, oder dass eine muslimisch-türkische Demokratie der EU-Außenpolitik in der islamischen Welt von Nutzen sein könne.

Argumente für einen türkischen Beitritt

 

Die Türkei unternimmt Reformen an ihrer Wirtschaft und im Gebiet des Zivilrechts

Ein katholisches Bollwerk gegen den Islam?

Derselben Eurosearch-Umfrage zufolge meinen 60 Prozent der Österreicher, Religion habe auf die Frage, ob ein Land als EU-Mitglied in Frage käme, keinen Einfluss. Nur 28 Prozent betrachten Europa als 'christliche Festung'. In der Tat haben sich die führenden Vertreter der österreichischen katholischen Kirche nicht gegen einen türkischen Beitritt ausgesprochen.

Das Zentralorgan der katholischen Kirche in Österreich ist die aus 15 Mitgliedern bestehende Bischofskonferenz, die stolz auf eine lange Tradition des Dialogs mit dem Islam zurückblickt. Zur Türkei befragt, erwiderte Kardinal Christoph Schönborn, der Vorsitzende der Konferenz,

"das ist keine religiöse Frage; das sind politische Fragen, zu denen Katholiken verschiedene Ansichten vertreten können."

Bei einer anderen Gelegenheit erklärte Schönborn die Türkei gehöre "historisch" zu Europa. Im Juni 2004 gab die Kontaktstelle für Weltreligionen der Bischofskonferenz eine offizielle Stellungsnahme ab, in der zu einer offenen Einstellung hinsichtlich der Türkei aufgerufen wurde:

"Österreich hat für die Vermittlung religiöser, kultureller und politischer Werte im Verhältnis zur islamischen Welt traditionell immer eine wichtige Rolle gespielt. Es wäre an der Zeit, an diese Tradition unter Verzicht auf populistische Versuchungen gerade auch im Zusammenhang mit der Diskussion des EU-Beitritts der Türkei und mit dem Ausbau der Beziehungen zu den Staaten des vorderen Orients anzuschließen."

Der unbekannte Türke

Angesichts der Wichtigkeit dieses Themas für die österreichische Politik ist der im Land vorherrschende Mangel an Kenntnissen über die moderne Türkei erstaunlich. ESI untersuchte die in Österreich am meisten verwendeten Schulbücher für Geschichte und Geographie und kam zu dem Schluss, dass österreichische Schüler nichts über die moderne türkische Republik lernen.

Geschichtsbücher, die in der Hauptschule (zwischen 11-14 Jahren) verwendet werden, erwähnen die moderne Türkei überhaupt nicht. Österreichische Schüler befassen sich mit China, der Dekolonialisierung Afrikas, sowie dem Wandel Mittel- und Osteuropas nach 1989. Der einzige Abschnitt, in dem die Türkei erwähnt wird, hat den Titel "Im Kampf gegen die Osmanen konnte Österreich seine Vorherrschaft im Südosten des Reiches erweitern." In ihrem Maturajahr lernen Schüler im Buch "Erde-Mensch-Wirtschaft" über die EU Erweiterung, Mittel- und Osteuropa und den Balkan. Auffallend ist, dass die Türkei auf einer Zeitleiste der Europäischen Integration nicht erwähnt wird.

Obwohl Österreich stolz auf eine lange Tradition als Zentrum der Osmanistik zurückblicken kann, war der akademische Austausch mit der Türkei in den letzten Jahrzehnten eher gering. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Österreich kein akademisches Zentrum für Türkeistudien. Zudem gibt es keine offizielle kulturelle Einrichtung zur Förderung türkischer Kultur, wie zum Beispiel in Polen oder Bulgarien. Zwischen 1995 und 2001 reisten nur 38 Österreicher mit finanzieller Unterstützung der Regierung im Rahmen von akademischen Austauschprogrammen in die Türkei. Im selben Zeitraum besuchten 3.561 Österreicher Großbritannien, 3.436 die USA, 2.971 Frankreich und 102 Bulgarien.

Während früherer Erweiterungsdebatten in Österreich wurde eine beachtliche Zahl empirischer Studien von österreichischen Instituten geschrieben. Think Tanks, Industrie- und Arbeitervereinigungen, Parteiinstitute, die Österreichische Nationalbank, Ministerien, Landes- und Kommunalregierungen, sowie Universitäten bemühten sich, in den frühen 90er Jahren die Transformationsländer zu untersuchen. Zwischen 1994 und 2005 veröffentlichte das Institut für Höhere Studien (IHS) rund hundert Studien und Berichte zum Thema EU-Erweiterung. Das 1973 gegründete Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) publizierte ebenfalls zahlreiche Forschungsberichte.

Die Debatte zur Türkei, sofern sie überhaupt geführt wurde, war bisher ganz anderer Natur. Am 25. und 26. November 2004 veranstaltete die österreichische Diplomatische Akademie in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Institut für Europäische Sicherheitspolitik ein Seminar unter dem Titel "Wohin geht die EU? – Die Türkei und das Risiko einer Überdehnung". Die abschließende Erklärung der Konferenz war mit dem Titel "EU: Türkei – Explosion einer Zeitbombe" versehen. Kein einziger Türke nahm an den Diskussionsforen teil. Die österreichischen politischen Parteien haben zu ihren gleich gesinnten Parteien innerhalb der Türkei sehr wenig Kontakt.

Vor den Toren Wiens?

Wir sind der Überzeugung, dass ein Referendum zu einem türkischen EU-Beitritt ein Fehler wäre. Und zwar nicht deshalb, weil eine gründliche Diskussion über die Vor- und Nachteile eines Beitritts unnötig ist. Ganz im Gegenteil – sollte es in Österreich zu einem Referendum kommen, würde eine seriöse Debatte diesem zum Opfer fallen.

Das Bemerkenswerte an früheren EU-Erweiterungsdebatten war die Fähigkeit österreichischer Politiker auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen. Österreichs politische Führung folgte, trotz zunächst negativer Meinungsumfragen, der eigenen Überzeugung, als es 1995 zum eigenen EU Beitritt kam und auch während der letzen zwei Osterweiterungen. Die drei Erweiterungen folgten einer intensiven Debatte, an der sich Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, akademische Institute und Medien beteiligten. Die öffentliche Meinung reagierte auf diese Debatte – wie sich an der veränderten Einstellung zu Kroatien erkennen lässt.

Im Fall von der Türkei, konnte man eine ganz andere Entwicklung beobachten. Österreichische Politiker haben seit 2004 eine seriöse Diskussion der Vor- und Nachteile eines türkischen Beitritts vermieden. Im Oktober 2004 rief Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in einem Gastkommentar in der Kronenzeitung zu einer "ehrlichen, schonungslosen Bestandsaufnahme der Auswirkungen eines türkischen Beitritts auf die EU" auf und räumte ein, dass es "noch nicht genug Material [gäbe], um Fragen der Immigration, des Arbeitsmarktes, der Kosten, der Konsequenzen für regionale Strukturfonds und der Landwirtschaft beantworten zu können." Dennoch hat die Regierung keine Studien zu den Auswirkungen eines Beitritts der Türkei auf Österreich oder die EU in Auftrag gegeben. Stattdessen spielen Österreichs Politiker mit den Ängsten und Vorurteilen der Bevölkerung und entledigen sich der Verantwortung für die Entscheidung durch ein künftiges Referendum. Folglich hat sich die öffentliche Meinung gegen einen türkischen EU-Beitritt verhärtet.

Die Unterstützung in der Bevölkerung für einen Beitritt der Türkei hat den erstaunlichen Tiefstand von 5 Prozent erreicht und führt zu einem Teufelskreis: aus Angst, sie könnten sich dadurch politisch angreifbar machen, meiden österreichische Politiker das Thema. Österreich befindet sich daher auf einem Kurs, der unaufhaltsam zu einem missglückten Referendum und damit zu einer international negativen Aufmerksamkeit führt. Sollten die Türken abermals vor den Toren Wiens scheitern, müsste Österreich damit rechnen, einen wenig schmeichelhaften Platz in den Geschichtsbüchern zu finden.

Diese Entwicklung ist jedoch nicht unabwendbar. Die Alternative würde erfordern, dass sich österreichische Meinungsmacher aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und den Medien ernsthaft mit der Frage befassen, wie sich ein Beitritt der Türkei auf die EU und Österreich auswirken würde. Angesichts der Vorteile, die die Entwicklung in den Transitionsländern für die österreichische Wirtschaft hatte, sollte man untersuchen, ob eine florierende türkische Wirtschaft neue Märkte öffnen würde. Wenn von Rechtsaußen ein Zivilisationskonflikt heraufbeschworen wird, sollte dieser anhand eines objektiven Blickes auf die Veränderungen in der heutigen Türkei, im Bereich der freien Meinungsäußerung und der gesellschaftliche Stellung von Frauen und Minderheiten, sachlich bewertet werden. Wenn sich herausstellen sollte, dass es besondere österreichische Interessen zu wahren gibt, sollte man erwägen, ob es nicht Alternativen zu einer schroffen Zurückweisung durch ein Referendum gibt.

Sollten Österreichs Politiker den Mut zeigen, diese Themen sachlich zu behandeln und die Rahmenbedingungen für eine offene politische Debatte schaffen, könnten sie die Öffentlichkeit abermals zu einer aufgeklärten Wahrnehmung österreichischer Interessen bewegen.